Es ist als ob ich mich total aus-erzaehlt habe an der African Night im Mai in Weinfelden – danke vielmals fuer die umwerfende Teilnahme! Mein langes Schweigen seit dann, hat aber auch mit meinem neuen Job zu tun. Ich habe eine neue Position angenommen wieder im Gesundheitsministerium, aber mit etwas mehr Verantwortung und damit auch mehr Arbeit. Das heist aber nicht, dass ich nicht weiterhin Geschichten gesammelt habe, die wurden einfach noch nicht aufgeschrieben. Sorry!
Ich habe kuerzlich mein dreijaehriges Jubilaeum in Sierra Leone gefeiert, wer haette gedacht, dass ich mich so verbunden fuehlen wuerde mit diesem einst unbekannten Land! In meinen ersten Monaten in Sierra Leone hatte ich den Eindruck, dass die Bevoelkerung grundsaetzlich optimistisch in die Zukunft schaufe (“alles wird besser”), bis Ebola kam und ein fast zweijaehriges Chaos startete. Seit dem Ende von Ebola ist die Situation weniger rosig, die Aussichten duesterer, der Bevoelkerung geht es schlechter. Der Praesident hat kuerzlich Sparmassnahmen angekuendigt, weil die wirtschaftliche Lage gar nicht gut ist. Diese Massnahmen werden in der Bevoelkerung laecherlich gemacht, zu Recht, sieht man doch weiterhin den Praesidenten jeden Tag zur Arbeit fahren mit seiner 15 Autos langer Karavane, wofuer die Polizei den ganzen Verkehr stoppt. Dabei verschwendet er genuegend Benzin um ein ganzes Haus mit Strom zu versorgen fuer einen Monat. Die lokale Waehrung, der Leone, hat fast die Haelfte seines Wertes verloren – in 2013 habe ich 4000 Leones fuer einen Dollar erhalten, jetzt erhalte ich 7500 Leones fuer den gleichen Dollar! Schrecklich, wenn man bedenkt, dass die Wirtschaft hauptsaechlich von Importen lebt, die jetzt teurer und teurer werden. Wir koennen also dankbar sein, leben wir nicht mit solch hoher Inflation!
Trotzdem gibt es immer wieder etwas zum lachen in Salone, lies selbst.
LACHENDES STRASSENLEBEN
Einer meiner Lieblingsbeschaeftigungen in Sierra Leone findet auf der Strasse statt: die vielen zufaelligen Begegnungen, lustigen Gespraeche, unerwartete Szenen man sieht auf der Strasse, ist faszinierend. Wenn immer ich einen Spaziergang mache, treffe ich mindestens einen Bekannten oder mache zumindest eine neue Bekanntschaft – das Sozialleben findet auf der Strasse statt. Es fuehlt sich fuer mich an wie in einem Dorf, aehnlich wie Weinfelden, wo ich aufgewachsen bin. Der einzige Unterschied ist, dass Weinfelden 10’000 Einwohner hat und Freetown 2 Millionen. Aus unerklaerlichen Gruenden ist jeder und jede immer unterwegs, die Strasse ist der Treffpunkt!
Ich habe auch staendig das Gefuehl, ich bin inmitten einer Modeshow. Sierra Leoner haben einen unglaublichen Modesinn und auch keinerlei Scham, absolut gewagte Kombinationen zu tragen, die immer irgendwie toll aussehen. Sierra Leoner tragen Socken am Strand, was ich unglaublich cool finde und daher zu einem regelmaessigen Ausflug gemacht habe. Socken am Strand – kann ich nur empfehlen!
Es sind aber nicht nur Menschen unterwegs, ich habe auch jeden Tag eine unglaubliche Auswahl von Voegeln vor meinem Balkon. Kleine blau schimmernde, grosse graue mit gelben Schnaebeln, Raben, Elstern, es hoert nicht auf. Zwei Spechte leben in meinem Strommasten, die haben sich ein schoenes Loch hineingehaemmert. Sierra Leone ist ein Vogelparadies und Vogellieberhaber kommen extra hierhin zur Vogelbeobachtung. Die Voegel wissen, wo das Paradies ist…
LACHENDES KRIO OEFFNET TUER UND HERZ
Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel es hilft, die lokale Sprache Krio zu sprechen. Ich bin im Juni wieder in Salone angekommen mit vollen Koffern und hatte Respekt vor dem Zoellner – man weiss nie genau, welche Gesetze noch erfunden werden. Ich habe mit dem Zoellner auf Krio zu sprechen begonnen, mit meinem besten Laecheln, das er leicht erstaunt erwidert. Es ging so:
Noemi: “Hello sir, aw yu dey do? Aw di bodi?” / Guten Tag, wie geht es Ihnen? Wie laeuft’s?
Customs officer: “Eee Ma, di Krio sound na yu mot. Udat lan yu di Krio so?” / Wow, dein Krio ist fliessend! Wer hat dir das beigebracht?
Noemi: “Ar dey get mi padi dem. Dem bin lan mi smallsmall.” / Ich habe Freunde hier, die haben mir das gelernt.
Customs officer: “Wow, ok, fo di sake of mi brother, go go. Yu na mi sista now.” / Wow, ok! Na dann lass ich dich gehen, meinem Bruder zuliebe. Du bist jetzt meine Schwester!
Noemi: “No wahala, tenki sir!” / Kein Problem und Danke!
Wir sind beide laechelnd weitergegangen, ohne je ueber mein Gepaeck gesprochen zu haben…
LACHENDE KRANKENSCHWESTER
Wir haben kuerzlich ein Leistungs basiertes Finanzierungssystem fuer alle Gesundheitskliniken in Sierra Leone beurteilt. Unter anderem wollten wir wissen, wie die Krankenschwestern ihren Patienten Verhuetungsmethoden anbieten und erklaeren, da in Sierra Leone nur 16% aller Frauen irgendeine Art von Verhuetung benutzt. Die beste Andwort kam von Krankenschwester Isatu: “Na, wir sagen normalerweise allen Frauen, die am gebaeren sind, dass diese Art von Schmerzen einfach zu vermeiden sind mit anstaendiger Verhuetung. Das wirkt normalerweise.” Da habe ich keine Zweifel!
LUSTIGE SCHWEIZER
Die Abstimmung zum Grundeinkommen hat weite Wellen geschlagen. Regelmaessig triff ich wieder Sierra Leoner, die total erstaunt sind, dass die Schweiz einfach jedem Bewohner Geld geben wollte – und sie staunen dann aber noch mehr, wenn ich ihnen erzaehle, dass genau diese Bewohner gesagt haben, sie wollen dieses Geld nicht! Das Grundeinkommen hat mehr Wellen geschlagen als jegliches anderes Thema aus der Schweiz und ich finde es immer lustig, wie jede und jeder anscheinend davon irgendwie gehoert hat!