Swiss-stories from the Lion Mountains

Liebe Freunde,
seit fünf Wochen weile ich nun in der Schweiz. Aus den Ferien in Südafrika wurde ich anstatt nach Hause in Freetown nach Hause in Bürglen geflogen. Ich hatte wohl noch nie solch gemischte Gefühle über das Wiedersehen mit Familie undFreunde. Freude, Trauer und Wut wechselten sich stündlich ab und mischten sich auch mal kunterbunt.
Schlussendlich habe ich mich entschieden, nächste Woche zurück nach Freetown zu fliegen. ODI, meine Organisation in London, findet immer noch, dass eine Rückkehr keine gute Idee ist zum jetztigen Zeitpunkt. Doch gerade jetzt werden Leute vor Ort dringend benötigt, ich finde es den absolut falschen Zeitpunkt, um in der Schweiz rumzuhocken. Ich werde meinen alten Job weitermachen und die zwei neuen Arbeiter in meiner Abteilung beaufsichtigen. Zusätzlich werde ich wahrscheinlich im “Case Management” von Ebola-Fällen in Freetown mitarbeiten. Dort wird entschieden, welche Fälle werden wo und wie behandelt, welche Häuser werden unter Quarantäne gestellt, welche Kontakte muss man täglich auf Krankheitsanzeichen überprüfen, etc. Und – dann habe ich natürlich noch weitere Ideen, wie ich meine Zeit füllen werde, siehe weiter unten…

KONTROLLE
Meine Zeit in der Schweiz war zu einem wichtigen Teil mit genussvollen Essen verbunden. Leute, ihr habt ÄPFEL, da schwärm ich nur noch! Und Milchprodukte in allen Formen und Geschmäckern. Nicht zu vergessen die Weine, das kohlensäurehaltige Mineralwasser und natürlich: die Glace. Ich glaube, meine Augen haben mich mehrmals verraten. Meine Eltern meinten nämlich beide: “Noe, man merkt dir an, dass du direkt aus einem Drittweltland kommst…”

TRIBE
Einer meiner Arbeitskollegen in Freetown hat mich am Telefon gefragt, von welchem Stamm (Tribe) ich komme. Ich habe dann erklärt, ich sei Teil des Schramm-Clans, der wiederum bei einem Stamm names Thurgau Unterschlupf gefunden hat. Er war beeindruckt, dass es in der Schweiz 26 verschiedene Stämme (Kantone…) gibt.

ERINNERUNGEN
Der Vater einer Bekannten aus Weinfelden hat 13 Jahre zur Zeit des 2. Weltkrieges in Freetown verbracht. Sie selbst hat Freetown in den 80er Jahren auch besucht und hatte alte Fotos und Bücher – teilweise mehr als 100 Jahre alt! Wir verbrachten einen ganzen Nachmittag in Erinnerungen schwelgend. Freetown hatte 1901 knapp 30’000 Einwohner. Heute sind es 1,5 Millionen!

EXPERTIN
Was geschieht, wenn man eine von fünf Schweizerinnen in einem Land ist, das nun internationale Schlagzeilen macht? Man wird unfreiwillig zur Expertin. Ich erhielt Gehör in der Zeitung, im Radio (und hier) und in einer Primarklasse in Illighausen (im tiefen Thurgau) – wobei ich bei letzterer am meisten nervös war. Ich habe die PrimarschülerInnen gefragt, was ihnen bei diesem Bild (Link) auffällt. Ich war erstaunt, wieviel man aus diesem Bild rauslesen kann:
  • Die zwei sind schwarz. Wobei der eine etwas weniger schwarz ist. (richtig – der eine hat einen weissen Vater).
  • Der eine Mann trägt keine Kleider. (richtig – es ist zu heiss.)
  • Die Schuhe sind schlecht oder nicht vorhanden. (richtig – Schuhe werden schnell abgetragen, da die Strassen schlecht und die Schuhqualität gering ist.)
  • Es laufen Hühner herum. (richtig – ein sehr alltägliches Bild.)
  • Es steht ein Auto hinten dran. (richtig – der hellere Mann ist etwas wohlhabender als der durchschnittliche Sierra Leoner.)
  • Es wachsen Palmen. (richtig – das Bild entstand an einem Strand.)
  • Die Menschen kochen draussen. (richtig – Kochen über dem Feuer draussen ist Normalzustand.)

Was ich eigentlich zeigen wollte mit diesem Bild: zwei Männer am kochen. Ein eher ungewöhnliches Bild, da dies sonst Frauenarbeit ist.

Ich freue mich unglaublich, bald selbst wieder in Sierra Leone zu sein!
VIELEN Dank an alle, die in den letzten Wochen mitgetragen, mitgefiebert, mitgelitten und mitgefreut haben – ihr habt mir mehr geholfen, als ihr denkt.
à toute & passt auf euch auf,
Noemi

PS: Meine Mitbewohnerin Haley, meine Freundin Theresa und ich (Bild) sind am entwickeln einer sozialen Geschäftsidee. Ideen und Pläne sind vorhanden, wir versuchen nun momentan unser Startkapital zusammenzukriegen. Dafür sammle ich ungebrauchte Mobiltelefone, Tablets und Notebooks (mit oder ohne Ladegerät). Mit dem Geschäft sollen Einnahmequellen geschaffen werden für junge Frauen, die als Sex- oder Arbeitssklavinnen missbraucht wurden und nun versuchen, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Mit zusätzlichen Gewinnen werden lokale Talente wie Ado (Fussballer) und Ish (Maler) unterstützt. PIC
Also – falls ihr noch ungebrauchte Geräte zuhause herumstehen habt: ab in die Post damit (Schramms, Schlossgasse 1, 8575 Bürglen TG) oder mir eine SMS schicken (0788081807), dann kann eine Abholung organisiert werden. Das ganze ICE ICE LADY (unser provisorischer Firmennamen) Team bedankt sich! 🙂

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